Familie

Ich sag mal so: dat kannste dir nich aussuchen sowat. Also Familie, jetzt. Die hat man eben einfach. In unserem Fall würde ich nicht gerade von einer Janosch-Idylle sprechen, wenn ich unsere Familie beschreiben wollen würde. Mein Bruder und ich sind adoptiert - das ist nie ein Problem gewesen. Er ist mein großer Bruder! Auf den bin ich super stolz! Und es sind meine Eltern. Mit Eltern hat man eben manchmal so seine Probleme.

Es gibt häufig Streit. Wegen allem möglichen... eher wegen allem. Das wird besser, wo wir ja jetzt alle so unglaublich erwachsen sind. Aber es wird tendenziell eher nur weniger "wegen allem" - nicht unbedingt mehr harmonisch. Aber es gibt sie - Momente in denen sich alle einig sind und zusammen lachen. Neulich war es wieder so weit.

Die ganze Familie war sich einig: Ich muss noch so 5 kg abnehmen. Großartig!

In solchen Momenten weiß man nicht, was man denken oder fühlen soll. Hey Leute, ich habe 6 kg abgenommen und mache jeden Tag Sport und fühle mich total super. "Ja, und was ist dein Ziel?" Ach, so 5 Kilo brauche ich angeblich noch für mein Idealgewicht. "Ja, also das denke ich auch" "Ja, ich auch. 5 kg wären noch gut." Äääähm.. ok, danke. Oder soll ich lieber sagen "Schön, dass wir uns da alle einmal einig sind. Darauf ein Wasser!"

Für mich ist sowas emotional schwierig. Ich glaube das ist der Konflikt, der immer in mir ist - und ich bin sicher, auch in anderen Mädels. Freue ich mich über die Ehrlichkeit und den Support oder bin ich sauer, weil niemand lügt und sagt, dass doch alles gut ist und ich super aussehe? Eigentlich mag ich Ehrlichkeit sehr. Ich bin selber sehr direkt - das weiß ich. Ich weiß auch, dass das verletzend sein kann. Aber ist es deshalb schlecht? Oder sollte man es jemandem vorwerfen?

Fangen wir doch mal bei uns an: Sein wir doch mal ehrlich zu uns selbst.

Ich möchte diese 5 kg schaffen. Es stimmt, dass das gut wäre und eigentlich hat niemand etwas Falsches gesagt oder mich verletzt. Einzig dieses verkorkste Selbstbewusstsein und dieser Wunsch nach Anerkennung, Lob oder Komplimenten macht einen fertig. Diese kleine Stimme, die immer sagt "Warum findet mich niemand gut, so wie ich bin?" Aber das ist Blödsinn. Oder? Damit machen wir es uns selbst nur schwer, oder? Wir könnten auch denken "Die sind ehrlich zu mir, denen bin ich wichtig und sie unterstützen mich in meinen Zielen." Wir ziehen also doch eigentlich alle an einem Strang...

Ok, meine Familie könnte noch ne Portion Charme und die ein oder andere Kalenderblattmotivationsspruch-Schippe zulegen, aber sein wir mal nicht so. Das Problem ist glaube ich ganz oft in einem selbst. Wie wir etwas hören wollen. Wie wir evtl. auch selbst an uns zweifeln und wie es an uns nagt, dass wir eben einfach offensichtlich nicht in das Bild passen, was wir selbst gerne von uns hätten.

Ich werde entspannter. Ich kann jetzt darüber lachen. Schön, dass wir uns jetzt endlich mal alle über etwas einig sind: Ich sollte wirklich noch 5 kg abnehmen.

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